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Bombart. Bombardo, Bombardone. Bass-
bzw. Kontrabasspommer in der Danziger Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts (in: Concerto 163 (Mai 2001), S. 24–27)
In insgesamt sechs Roemhildt-Kantaten aus dem Bestand der Danziger Johanneskirche finden sich Partien für ein als „Bombardo“ bezeichnetes Baßinstrument. Es handelt sich um folgende Werke: RoemV 37 (Ms. Joh. 204; Notierung im Chorton); RoemV 38 (Ms. Joh. 202); RoemV 97 (Ms. Joh. 77; Notierung im Chorton); RoemV 146 (Ms. Joh. 78; Notierung im Chorton); RoemV 191 (Ms. Joh. 81) und RoemV 210 (Ms. Joh. 87). In RoemV 37 wirken neben den Streichern 2 Clarini und 2 Oboen/Oboi d’amore mit, in RoemV 146 2 Clarini und Pauken, in RoemV 97 und RoemV 191 jeweils 2 Corni und 2 Oboi d’amore, in RoemV 38 2 Oboi d’amore. Nur in RoemV 210 findet sich eine reine Streicherbesetzung.
Der Ambitus der Partien erstreckt sich insgesamt von C bis c1 und umfaßt demnach den vollen Tonraum eines Baßpommers. Daß sich der Ambitus der Bombardostimme in RV 146 bis klingend d1 erstreckt, obschon die obere Grenze des Baßpommers mit c1 angegeben wird, erklärt sich aus der Stimmung im Chorton: in dieser reichte die Partie tatsächlich nur bis c1.
In Danzig wurden jüngst weitere Kompositionen entdeckt, die ebenfalls Bombardostimmen enthalten. Einerseits die Kantate „Ich lebe und ihr solt auch leben“ von Johann Christoph Altnikol (1720–1759), in der neben den im Titel genannten Instrumenten der Continuogruppe auch Bombardo, Bassono und Violono verwendet wurden. Andererseits Kompositionen von Johann Balthasar Christian Freislich (1687–1764), der zwischen 1731 und 1764 als Kapellmeister in Danzig tätig war. Bombardopartien existieren zu 18 geistlichen Kantaten sowie zu 4 Trauermusiken. Die Kompositionen stammen aus den 1730er bis 1750er (vielleicht auch 1760er) Jahren, alle Bombardopartien sind im Chorton notiert.[1] Zweifelsfrei standen damals in Danzig Bombardospieler zur Verfügung, wurde der Klang dieses Instrumentes dort besonders geschätzt.
Im Bestand der Danziger Marienkirche sind diverse Pommer in verschiedenen Lagen für diese Zeit nachgewiesen sind, ein Großbaßpommer hat bis heute erhalten hat: im Musikinstrumenten-Museum Berlin. Wie Susanne Staral[2] kürzlich darlegte, trägt der Bombardo das Zeichen der Marienkirche und stammt somit unzweifelhaft aus dem dortigen Instrumentenfundus. Überdies enthält ein Inventarverzeichnis von 1718 ein ganzes Stimmwerk von Pommern einschließlich eines großen „Bombart“.[3] Ohne Zweifel wurde der Bombardo bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der Danziger Kirchenmusik gespielt. Da S. Staral[4] den Nachweis erbringen konnte, daß noch 1823 bei der Aufführung von Christian Friedrich Schneiders Oratorium „Das Weltgericht“ ein Baßpommer verwendet wurde, wird man davon ausgehen können, daß sich diese Tradition in Danzig fast anderthalb Jahrhunderte länger gehalten hat als in anderen Teilen Europas.
Auffallend ist, daß sich Bombardo-Partien zumeist nur in großbesetzten Kantaten finden, in aller Regel dann, wenn auch Trompeten und Pauken oder zumindest Holzblasinstrumente mitwirken.[5] Offenbar sollte der Bombardo die ohnehin bereits beträchtliche Lautstärke noch einmal potenzieren, in diesem Sinne wirkte er trotz der 8’-Lage in einem ähnlichen Sinne wie ein Kontrafagott (Bassono grosso).
Völlig unklar ist, ob die Bombardo-Partien in den Roemhildt-Kantaten für einen Baß- oder einen Großbaßpommer gedacht waren, ausführbar sind sie jedenfalls auf beiden Instrumentenmodellen
[1] Diese Informationen stellte mir dankenswerter Weise Frau Dr. Karla Neschke, Leipzig, zur Verfügung; vgl. auch ihre Dissertation Johann Balthasar Christian Freislich (1687–1764). Leben, Schaffen und Werküberlieferung, Oschersleben 2001 (im Druck). Zwei in Danzig liegende Freislich-Kantaten stammen aus Sondershausen, sie weisen keine Bombardostimmen auf, auch für 3 weitere geistliche sowie die 7 erhaltenen weltlichen Kantaten existieren dort keine Bombardostimmen. [2]
Susanne Staral, Anmerkungen zum
Großbaßpommer aus der Marienkirche zu Danzig, in: Musica Baltica.
Danzig und die Musikkultur Europas, hrsg. von Danuta Popinigis, Danzig 2000,
S. 69–81; vgl. insbesondere das Zeichen der Marienkirche auf Abb. 4. Der
Bombardo hat die Signaturnummer 289. [3]
Vgl. Hermann Rauschning, Geschichte
der Musik und Musikpflege in Danzig (Quellen und Darstellungen zur
Geschichte Westpreußens, 15), Danzig 1931, S. 311f.; vgl. auch die Angaben
S. 174, S. 235 und S. 241, denen zu entnehmen ist, daß man im 17.
Jahrhundert Baßpommern (Bombarte) als unverzichtbar für die Kirchenmusik
ansah. In einem Bericht über die vorhandenen Sänger und Instrumentalisten
der Ratskapelle äußerte Anfang 1687 der neubestallte Johann Valentin Meder
(1649–1719): „Gleichwie bey der vollbestellten Music der Fagott oder
Dulcian und Bombarda ein großes Ornamentum ist [...].“ (ebd., S. 281) [4]
S. Staral, Anmerkungen zum Großbaßpommer
aus der Marienkirche zu Danzig, S. 78. [5]
Das trifft auch auf die Kantate „Ich lebe und ihr solt auch leben“ von
Johann Christoph Altnikol zu, vgl. Violetta Kostka, Musikhandschriften
mit den Werken der Schüler von J.S. Bach in der Danziger Bibliothek der
Polnischen Akademie der Wissenschaften, in: Musikalische Beziehungen
zwischen Mitteldeutschland und Danzig im 18. Jahrhundert, hrsg. von Danuta
Popinigis und Klaus-Peter Koch, Sinzig 2000, S. 89–97. Im übrigen ist für
das 17. Jahrhundert die Verwendung des Bombardo im Verein mit Trompeten und
Pauken quellenmäßig belegt, vgl. S. Staral, Anmerkungen
zum Großbaßpommer aus der Marienkirche zu Danzig, S. 74.
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Erstellt von Birgit
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