RoemV 146 - offene Fragen

Durch die Bestandsaufnahme der Weihnachtskantate Roem V 146 „Ach daß du den Himmel zerrissest“ sind einige (Besetzungs-)Fragen entstanden, die zu diskutieren lohnenswert erscheint - Diskussionsbeiträge im Forum (Rubrik Aktuelle Diskussion) sind herzlich willkommen! Einige Fragen finden sich bereits formuliert am Ende dieses Überblicks von Klaus Langrock, aber es könnten sicherlich noch einige mehr gestellt werden, gerade aus Vergleichen mit dem Werk anderer Komponisten heraus. 

 

Roem V 146 liegt in einer „angedeuteten“ [Paulke] Partitur und Stimmen vor.

Aus den Stimmen läßt sich keine eindeutige Reihenfolge der Sätze erkennen. Offensichtlich sind die einzelnen Gruppen (Clarinen und Pauken; Streicher; Gesang; Continuo) in sich stimmig, aber auf den ersten Blick kann nicht entschieden werden, wie diese Gruppen musikalisch zusammen gebracht werden können.

Die hier verwendete Nummerierung der Sätze entspricht der Zählung im Text.

 

Es geht hier um die Stimmen. Vorhanden sind

Clarino 1mo (mit handschriftlicher Paginierung 10), ein weiteres halbes Blatt Clarin: 1mo (mit  Paginierung 11),

Clarino 2do (mit  Paginierung 12), ein weiteres halbes Blatt Clarin. 2do (mit Paginierung 13),

Tympana (mit Paginierung 14), ein weiteres halbes Blatt Tympani (mit Paginierung 15),

Die drei ganzen Blätter sind wohl von einem Schreiber angelegt worden, und zu etwa zwei Dritteln auch auf der Rückseite beschrieben. Zu den Sätzen finden sich übereinstimmend die Angaben:

[1.] Tutti con affetto

[2.] nur bei Timp. steht Rec:, in allen drei Stimmen sind für das Rezitativ Pausen und die letzten Worte (sie singen: ) angegeben.

[3.] Choral

[4.] Vivace, Aria, Da Capo

[5.] Choral (Es findet sich weder ein Textincipit noch die Angabe der Zahl von Versen)

Es fehlt hier eine Angabe wie Il Fine.

Die halben Blätter sind – wegen der abweichenden Schreibweisen der Instrumentbezeichnungen - wohl von einem anderen Schreiber erstellt worden.

Übereinstimmend finden sich hier:

[5.] Choral (ohne Abweichungen zu dem jeweiligen ganzen Blatt)

[6.], [7.] Recit. & Aria tacet

[8.] Choral

Violino 1mo (mit handschriftlicher Paginierung 7),

Violino IIdo (mit handschriftlicher Paginierung 8),

Viola (mit handschriftlicher Paginierung 9)

Auf diesen doppelseitig beschriebenen Blättern (deutlich aus jüngerer Zeit, von nur einem Schreiber) finden sich übereinstimmend die Angaben

[1.] con affetto

[2.] Recit. bei Violinen, Recitativ bei Viola

[3.] Choral bei Vl I, Chor. bei Vl II und Va

[4.] Aria (ohne Tempoangabe) – Da Capo

[6.] Recit. bei Vl I und Va, Recitat. bei Vl II

[7.] Aria con affetto, con sordino – Da Capo

[5.] Choral (Melodie Vom Himmel hoch)

Soprano (Paginierung nicht zu entziffern, vermutlich 21)

Alto (mit handschriftlicher Paginierung 23)

Tenore (mit handschriftlicher Paginierung 25)

Basso (mit handschriftlicher Paginierung 27)

Diese Stimmen, vermutlich von einer Hand geschrieben, enthalten

[1.] Coro con affetto

[2.] Rec: B.; in Baßstimme: Recit.

[3.] den Text ohne Überschrift

[4.] Aria Basso tacet -  Seque Choral bzw. Aria vivace – Da Capo in der Baßstimme

[5.] Choral, Text der Verse, im Sopran ist der 1. Vers durchgestrichen

auf der Baßstimme steht nach diesem Choral von anderer Hand Nach der Predigt

[6.] Recit. tacet

[7.] Aria tacet

[8.] Choral mit dem vollständigen Text  Lob Ehr und Preiß sey Gott

Der Hinweis Nach der Predigt findet sich auch auf weiteren Gesangsstimmen:

Canto (mit handschriftlicher Paginierung 22)

Alto (mit handschriftlicher Paginierung 24)

Tenore (mit handschriftlicher Paginierung 26)

            Hier finden sich:

            [6.] Recit. tacet, im Alto noch mit dem Zusatz Ten:; in Tenorstimme Recitativ

            [7.] Duett, in Alt-Stimme zusätzlich Aria a 2 – Da Capo; in Tenorstimme Aria a 2 tacet – Seque Choral

            [8.] Choral mit dem vollständigen Text  Lob Ehr und Preiß sey Gott

Violono (mit handschriftlicher Paginierung16) im Chorton

Bassono (mit handschriftlicher Paginierung17)

Bombardo (mit handschriftlicher Paginierung18) im Chorton

Organo (mit handschriftlicher Paginierung19, 2. Blatt vermutlich paginiert 20) im Chorton, beziffert. Die Orgelstimme trägt als einzige den Vermerk Vor der Predigt.

Zu den Sätzes steht bei der Gruppe der Continuo-Instrumente übereinstimmend:

[1.] Tutti con affetto

[2.] Rec:; Bombardo pausiert

[3.] Choral; bei Violone und Bombardo mit Textincipit „Allein Gott in der Höh sey Ehr“

[4.] Aria; bei Violone und Orgel auch vivace; Bombardo: Aria tacet

[5.] Choral; bei Violono mit Textincipit „Ach mein hertzliebes Jesu.“

Von anderer Hand eingefügt Nach der Predigt; nicht bei Bombardo;Organo-Stimme auf neuem Blatt. Der weitere Text ist wohl von dem ursprünglichen Schreiber ausgeführt

[6.] Rec.; nicht angegeben bei Violone und Bombardo; bei der Orgelstimme ist auch die Gesangstimme mit aufgenommen (ohne Text)

[7.] Aria; Bombardo: tacet;

in der Stimme der Violone steht: pizzicato, senza Organo;

in der Orgel-Stimme entsprechend: Violone pizzicato, senza Organo; die Stimme ist, allerdings ohne Bezifferung, dennoch notiert

in der Fagott-Stimme steht: Violoncello pizzicato.

Nach der Fermate steht bei Violone und Orgel: con Organo; beim Fagott: con Bassono

[8.] Choral; bei Bombardo ohne Notentext; bei der Violone mit Textincipit „Lob Ehr und Preiß sey Gott“

 

Aus dieser Bestandsaufnahme ergeben sich einige Fragen:

1. Ist ein Violoncello grundsätzlich vorgesehen (spielt es aus der Bassono-Stimme)?

2. Welche Stimmen waren wohl mit der Paginierung 1 bis 6 vorhanden?

3. Gehören die  Stimmen der Streicher zu einer späteren Umbildung der Kantate, bei der die Arien und Rezitative beibehalten wurden, der ursprüngliche Schlußchoral mit seinem wenig weihnachtlichen Text aber durch die Verse (oder nur den zweiten Vers) des Weihnachtsliedes [5.] ersetzt wurde?

4. Sind die Angaben Vor der Predigt und Nach der Predigt nur aus aufführungspraktischen Gründen später hinzugefügt worden oder haben sie auch eine Erweiterung um die Sätze [6.] bis [8.] mit sich gebracht?

5. Ist es denkbar, daß der „zweite Teil“ mit einem Rezitativ begann – oder wurde vielleicht der Choral [5.] mit seinen beiden Versen aufgeteilt, Vers 1 als Schluß des ersten Teiles, Teil 2 als „Eingangschor“ nach der Predigt? (Dafür spräche die doppelte Notierung bei Clarinen und Pauke)

@ 1: Gerade die Materialien der Johanneskirche in Danzig weisen eine Häufung von Continuo-Stimmen auf. Es ist noch nicht geklärt, ob alle diese Instrumente (Orgel, Cembalo, Violone, Fagott, Violoncello, gelegentlich auch Bombardo) gleichzeitig oder alternierend gespielt wurden, in den Partituren und Stimmen finden sich nur vereinzelte Hinweise darauf. In unserem Fall bestärkt die Angabe con Bassono, nachdem Violoncello pizzicato senza Bassono den Satz eröffneten, die Vermutung, daß tatsächlich beide Instrumente bei den anderen Sätzen gleichzeitig Verwendung fanden.

@ 2: Wegen der Mitwirkung von Bombardo und Fagott könnten auch Oboen beteiligt gewesen sein. Außerdem ist sehr wahrscheinlich, daß mehrere Streicherstimmen existierten.

@ 3: Das Schriftbild der hier betrachteten Stimmen zeigt, daß diese deutlich später entstanden als das andere Material. Die auffällige Umstellung des Weihnachtsliedes an das Ende mit gleichzeitiger Streichung des (bisherigen) Schlußchorals läßt den Schluß zu, daß die gesamte Kantate neu gestaltet wurde, und zwar mit einer stärkeren Betonung des de tempore-Anlasses Weihnachten.

@ 4. Es scheint, als ob die Gesangsstimmen von Tenor und Baß schon alle 8 Sätze enthielten, bevor die Angabe Nach der Predigt eingefügt wurde. Das erklärt allerdings nicht, warum in den meisten anderen Stimmen neue Blätter angelegt wurden.

@ 5. In allen mir bekannten zweiteiligen Kantaten beginnt der zweite Teil mit einem Choral oder Chorsatz. Auch ist es sehr selten, daß in der Mitte einer Kantate mehrere Verse eines Chorals gesungen wurden. Daher erscheint es als wenig spekulativ, von einer Aufteilung des Chorals als Schluß des ersten Teils und Eingang des zweiten Teils auszugehen.

Daraus kann man schließen, daß es wenigstens zwei Fassungen dieser Kantate gibt:

a) Die acht Sätze wurden in „unserer“ Reihenfolge dargeboten, falls eine Aufteilung in vor und nach der Predigt vorgenommen wurde, dann wurde der Choral [5.] aufgeteilt.

b) Später verschob man diesen Choral ans Ende und ersetzte mit ihm den bisherigen Schlußchoral „Lob, Ehr und Preis sei Gott“. Ob das Streichen des ersten Vers in der Sopranstimme als Indiz dafür ausreicht, daß nur ein Vers gesungen wurde, mag dahingestellt bleiben.

 

Die drei Musikwissenschaftler, die sich bisher hiermit befasst haben, sind wie folgt verfahren:

    Karl Paulke nennt in seiner handschriftlich vorliegenden „Analyse“ bei der Besetzung das Violoncello,             unterschlägt aber das Fagott. Er führt [4.] Rezitativ und [5.] Choral nicht an und kommt so auf 6 „Nummern“ mit dem Schlußchoral Lob Ehr und Preiß sey Gott. Außer bei dem Baßrezitativ [2.] gibt er stets an: alle Instrumente

    Otto Dörfer befaßte sich nur mit dem Text. Er hat zusätzlich die Vermerke Vor der Predigt und Nach der Predigt angeführt und nennt die Sätze in der Reihenfolge, der auch wir gefolgt sind.

    Christian Ahrens/Sven Dierke geben unter „Instrumentarium“ das Violoncello ohne Einschränkung an. Bei der Darstellung der Sätze fassen sie Recitativ [2.] und Choral [3.] zu einer Nummer zusammen und nennen als Fassung 1 die weitere Abfolge –nach unserer Zählung- [4.]- [6.] – [7.] – [8.]. Das Weihnachtslied [5.] geben sie als Fassung 2 [anderer Schreiber] an.

 

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Letzte Änderung: 28.07.05 22:03